Die Hirten
In der Weihnachtsgeschichte
des Lukasevangeliums nehmen die Hirten eine wichtige Stellung ein. Die
Hirten galten damals als Aussenseiter, als Menschen, die draussen herumzogen
und mit ihren Herden lebten. Meistens stammten sie aus der armen Landbevoelkerung
oder sie waren Lohnarbeiter und bewachten die Herden der Grossgrundbesitzer.
Da sie jeden Tag mit kranken Tieren und oefters mit Kadavern in Kontakt
kamen, mied die Bevoelkerung sie.Den Nichtsesshaften, gerade an ihnen,
die Einfachheit und Naturverbundenheit verkoerperten, wollte Gott ein Zeichen
setzen. Auch im Judentum haben die Hirten religioesen Symbolcharakter.
Gott ist nicht nur der Hirte Jsraels, sondern der ganzen Menschheit. Im
Christentum fuehrt Jesu durch seine Botschaft sowie durch sein Leben und
Sterben die Menschen zu Gott und zur Gemeinschaft der Glaeubigen, wie der
gute Hirte das verlorene Schaf zur Herde bringt. Die messianische Botschaft
verschmilzt daher mit der Erwartung eines neuen Hirten, womit die Bruecke
zum Wort Jesu vom guten Hirten geschlagen ist, der in den alpenlaendischen
Krippen durch den ein Lamm tragenden Hirten verkoerpert wird.
Sie bewachten in jener
Nacht ihre Herde und lagerten, ebenso unbehaust wie Maria und Josef, auf
freiem Feld. Kaum erschien ihnen der Engel mit der frohen Botschaft, gingen
sie nach Bethlehem, um das Kind zu sehen. Einzelheiten des Geschehens erfahren
wir nicht in der Bibel, sondern aus einer apokryphen Schrift, dem Kindheitsevangelium
des Thomas. Sie berichtet, wie die Hirten das Kind anbeteten und welche
Gaben sie ihm brachten. Die Hirten auf dem Feld gehoeren mit dem Verkuendigungsengel
zum zweiten Kreis der Krippe. Es gibt kniende, anbetende, herbeieilende,
musizierende, stehende Hirten und den Hirten mit dem Lamm auf der Schulter,
den "guten Hirten". Das Hirtenfeld liegt eine halbe Stunde zu Fuss von
Bethlehem entfernt. Dort soll schon Koenig David seine Herde gehuetet haben.
Der Davidsbrunnen in vielen Krippen erinnert daran. Die Hirten repraesentieren
die Menschheit schlichthin. Sie stehen fuer Armut und Einfachheit, aber
sie sind zur richtigen Zeit wach und erkennen die Bedeutung des Kindes.
Sie bringen schlichte Gaben mit in den Stall. Am Ende der Nacht kehren
sie zu ihren Tieren zurueck. Fuer die christliche Kunst sind die Hirten
ein wahrer Gluecksfall. Sie stellen das einfache Volk dar. Durch sie haben
die Kuenstler bei den zahlreichen Darstellungen der Geburt Christi die
Moeglichkeit, durch Kleidung und Aussehen einen aktuellen Bezug zu ihrer
jeweiligen Zeit herzustellen. Diese Figuren sind in ihrer Bekleidung fast
immer von einem ausgesprochenen Lokalkolorit gepraegt. Dass Geschehen rund
um die Geburt des Gottessohnes wird in die eigene, vertraute Umgebung mit
ihrer Landschaft, ihren Menschen und ihrer Kultur versetzt. Mit der Hirtenverkuendigung
und der Anbetung der Hirten ziehen auch in der alpenlaendischen Heimatkrippe
Herden weisser Schafe in die Naehe des Christkindes. Sie werden von Hirten
auf dem Feld gehuetet oder Maria und ihrem Jesuskind als Geschenk mitgebracht.
Schwarze Schafe, die
im Mittelalter "mit dem Teufel im Bunde" stehen sollten, finden sich schon
aus diesem Grund in keiner Weihnachtskrippe, die allein das weisse Schaf
mit der Symbolfarbe der Unschuld und Reinheit zulaesst. Zugleich ist das
Schaf Symbol fuer Christus als Opferlamm. Deshalb findet sich auch meist
ein Hirte mit einem zum Opfertier gebundenen Lamm in der vordersten Reihe
vor dem Christuskind ein, der mit der Darbietung des Tieres auf den kuenftigen
Leidensweg und Opfertod Christi hinweist.
Auch Aussenseiter haben
das Recht, von dieser guten Nachricht zu hoeren. Sie erfahren als erste
von der Geburt Jesu und finden das Neugeborene in der Krippe. |